Netzmanagement

In elektrischen Netzen zur Stromversorgung wird ihre physikalische Auslastung vor allem durch ihre Auslegung, die Erzeugung und die Last bestimmt. Hierbei kann es zu kritischen Engpässen kommen, wenn die technisch begrenzte Kapazität der genutzten Elektrizitätsleitungen erreicht ist und dennoch mehr Strom durch die eingespeisten bzw. an den Energiemärkten gehandelten Mengen aufgenommen und transportiert werden soll, der in erneuerbaren sowie bei Bedarf zusätzlich auch in konventionellen Kraftwerken zur Deckung des Stromverbrauchs produziert wird.

Unter der Übertragungskapazität eines Betriebsmittels ist die maximal übertragbare elektrische Leistung zu verstehen, die in erster Linie von seiner Dimensionierung in Bezug auf die Nennspannung und den Grenzstrom definiert bzw. limitiert wird. Neben der vorgenannten aktuellen Auslastungssituation (Bezug vs. Deckung) wird die Transferkapazität darüber hinaus auch durch die jeweils vorherrschenden Rahmenbedingungen am Installationsort wie beispielsweise von der Umgebungstemperatur beeinflusst.

Ein solcher Netzengpass kann einerseits innerhalb eines Übertragungsnetzes sowie andererseits zwischen zwei aneinander angrenzenden Netzgebieten auf den sie verbindenden Kuppelleitungen auftreten. Letzteres kann national oder bilateral in Form von grenzüberschreitenden Leitungskapazitäten der Fall sein. In der Folge kann nicht nur weniger Energie als in den Ziellastregionen benötigt transportiert werden, sondern auch der finanzielle Stromhandel an den Energiemärkten wird durch die Störung eingeschränkt.

Zentral ist im Zusammenhang mit elektrischen Energieübertragungsnetzen der Höchstspannungsebene (HöSp ≥ 220 kV) auch das sogenannte (N–1)-Kriterium, das anhand der Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten in einem N Objekte (z. B. Erzeugungsanlagen, Betriebsmittel) umfassenden Verbundsystem bzw. Kraftwerkspark dazu beitragen soll, Versorgungsunterbrechungen zu vermeiden und die Systemstabilität sicherzustellen. Gemäß dieser Sicherheitsregel muss im Schwachlastfall, bei Lastspitzen und infolge von Prognoseabweichungen bzw. grundsätzlich in allen Systemzuständen der sichere und zuverlässige Netzbetrieb auch bei Ausfall oder betrieblicher Abschaltung (Revision, planmäßige Reparatur, Wartung oder Instandhaltung) eines beliebigen Betriebsmittels durch entsprechende Redundanz gewährleistet sein. Dies kann ein Kraftwerk bzw. Generator, aber ebenso eine Übertragungsleitung oder ein Transformator im betroffenen Netzverbund sein.

Für den Fall der nachgelagerten Hoch- und Mittelspannungsebenen (HoSp, MiSp ≤ 110 kV) besitzt das Beurteilungskriterium gleichermaßen Gültigkeit, um im Rahmen der Netzspitzenbewirtschaftung den maximalen Netzbezug aus dem jeweils vorgelagerten Netz (HoSp ← HöSp, MiSp ← HoSp) nicht zu überschreiten, da vermiedene Netznutzung dem Kraftwerksbetreiber durch den jeweils zuständigen Netzbetreiber entsprechend seiner Vermeidungsleistung und -arbeit monetär vergütet wird. Um derartigen Netzengpässen entgegenzuwirken, überprüfen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ihren aktuellen (N–1)-Status im laufenden Netzbetrieb kontinuierlich anhand von Lastflussanalysen und Simulationsrechnungen.

Weiterhin können sie als präventive oder reaktive Maßnahmen ihre Stromnetze ausbauen, das Netz vermaschen, Leitungen parallel schalten oder die Transferkapazität bestehender Leitungen erhöhen (Substitution / Retrofit) sowie einer potenziellen Verletzung betrieblicher Grenzen (z. B. der maximal zulässigen Leitungsauslastung aufgrund der thermischen Beanspruchung oder des einzuhaltenden Spannungsbereiches) durch ein geeignetes Engpassmanagement entgegensteuern.

Ein betriebliches Instrument des Netzmanagements gegen Überlast stellt in diesem Kontext der sogenannte Re-Dispatch (vgl. Art. „Redispatching durch Übertragungsnetzbetreiber“) als systemdienstleistende Änderung der dem ÜNB gemeldeten technisch und wirtschaftlich optimalen Kraftwerkseinsatzplanung (Dispatch; Einspeisekonfiguration) dar. Dabei wirkt der Anschluss-ÜNB im laufenden Netzbetrieb drohenden Netzengpässen entgegen, indem er ein oder mehrere in seiner Regelzone befindliche Kraftwerke gegen Vergütung ihrer Brennstoffkosten anweist, der Netzsituation entsprechend – beispielweise im Falle eines hohen Offshore-Windaufkommens – lastbezogen an-, hoch-, runter- oder abzufahren und somit in positiver oder negativer Richtung im Hinblick auf potenzielle Grenzwertverletzungen oder gar einen möglichen Zusammenbruch des netztechnischen Systems (vgl. Art. „Blackout“) gezielt gegenzuregeln.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden sich auf dieser Internetseite unter anderem in den Artikeln „Netznutzungsentgelte in der Energiewirtschaft“, „Netzbriefmarken“, „Vermeidungsarbeit“, „Vermeidungsleistung“ oder „BLACKOUT – Morgen ist es zu spät“.