Im vorletzten Beitrag „Netzbriefmarken“ wurde erneut das Thema der vermiedenen Netznutzungsentgelte (vNE) aufgegriffen. Auch der heutige Artikel soll sich mit diesem speziellen netzwirtschaftlichen Bereich auseinandersetzen und näher auf die Ermittlung und Verrechnung der leistungsanteiligen vNE zwischen Netzbetreiber und Kraftwerksbetreiber eingehen.
Wie bereits erläutert, sind für die rechnerische Feststellung der sogenannten Vermeidungsleistung zwei Kenngrößen ausschlaggebend. Diese sind zum einen die Höchstlast des Bezuges sowie zum anderen die Höchstlast der Entnahme und werden jeweils für ein Kalenderjahr in viertelstündlicher Zeitauflösung ermittelt. Um das im oben genannten Artikel angeführte Beispiel eines Einsatzverantwortlichen (EIV) von an die Hochspannungsebene (Verteilnetz; 110 kV) angeschlossenen Kraftwerken beizubehalten, beziehen sich die beiden Maxima auf diese sowie auf die vorgelagerte Netzebene in Form der Höchstspannungsebene (Übertragungsnetz; ≥ 220 kV). Auch aus diesem Grund werden sich die betreffenden Viertelstunden der jeweiligen Maximallast in der Regel voneinander unterscheiden.
Sind beide Leistungswerte aus ihren jeweiligen Jahreszeitreihen ermittelt, so kann die in diesem Jahr bzw. Zeitraum (z. B. Monat) erreichte gesamte Vermeidungsleistung berechnet werden, indem die Höchstlast des Bezuges von der Höchstlast der Entnahme subtrahiert wird. Die resultierende Größe gibt somit Aufschluss darüber, welche Einspeisung aus den an der Hochspannung angeschlossenen Erzeugungseinheiten und somit dezentral erbracht wurde, so dass die Nutzung des vorgelagerten Netzes zur Deckung der Last im nachgelagerten Netz in Form von weiterem Strombezug vermieden werden konnte.
Für die monetäre Verrechnung ist jedoch nicht die über das gesamte Jahr berechnete dezentrale Erzeugung, sondern ausschließlich ihr Anteil zum Zeitpunkt der Höchstlast der Entnahme relevant. Diesen erhält man, indem man die Differenz aus beiden Zeitreihen und somit die Vermeidungsleistung in jeder einzelnen Viertelstunde des Jahres bildet. Aus diesen beiden Kennwerten wird nun ein Skalierungsfaktor errechnet, der das Verhältnis von Vermeidungsleistung bei Entnahmehöchstlast und Jahresvermeidungsleistung darstellt, was den individuellen Anteil der dezentralen Einspeiseleistung zum oben genannten Zeitpunkt repräsentiert.
Im Rahmen der Verrechnung des Leistungsanteils der vermiedenen Netznutzungsentgelte wird dieser Faktor nun mit der tatsächlichen Einspeiseleistung des jeweils abzurechnenden Kraftwerks in der zuvor ermittelten Viertelstunde der Maximalentnahme multipliziert, um jene Leistung zu erhalten, die abschließend vNE-fähig und somit vergütbar ist. Diese Berechnungsvorschrift des Netzbetreibers impliziert, dass nur jene Erzeugungsanlagen vom Netzbetreiber vermiedene Netzentgelte erhalten, die zum vorgenannten Zeitpunkt am Netz waren und (Netto-)Strom eingespeist haben (Leistung > 0 MW bzw. folglich Arbeit > 0 MWh).
Dieser skalierte Leistungswert der Anlage wird nun mit dem festgesetzten vNE-Leistungspreis aus dem Referenzpreisblatt des jeweils zuständigen Übertragungsnetzbetreibers multipliziert. Im Ergebnis liegt nun die für das gesamte Jahr zu verrechnende Summe vor, die das jeweils betrachtete Kraftwerk individuell für die Vermeidung der Nutzung des vorgelagerten Netzes leistungsbezogen vom Netzbetreiber erhält. Wird ein anderer Abrechnungszeitraum, zum Beispiel zwecks Abschlagszahlung ein Monat betrachtet, so wird der ermittelte Gesamtbetrag in der Regel entsprechend verteilt. Im nächsten Beitrag soll analog dazu auf die Ermittlung und Verrechnung des Arbeitsanteils der vermiedenen Netznutzungsentgelte eingegangen werden.