Erlösobergrenze

Im Artikel „Netznutzungsentgelte“ wurde die sogenannte Erlösobergrenze (EOG) für behördlich regulierte Netzbetreiber angesprochen, die in der Regel jährlich die rechnerische Grundlage für die Berechnung der Netznutzungsentgelte (kurz: Netzentgelte), bildet, welche in den liberalisierten Energiemärkten von den Strom- und Gasnetzbetreibern für die Nutzung ihres Versorgungsnetzes und ihrer Leitungsinfrastruktur zwecks Anschluss und Durchleitung gegenüber den Netzkunden erhoben werden.

Grundsätzlich sollen Entgelte für die Netznutzung gemäß § 21 Absatz 2 des grundlegenden Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz, EnWG) auf der Basis der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müssen, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebildet werden. Mit der Erlösobergrenze wird jedem Netzbetreiber pro Jahr ein bestimmtes Budget zugewiesen, mit dem er seine gesamten netztechnischen und -wirtschaftlichen Aufgaben erfüllen kann bzw. muss.

Die tatsächlichen Kosten des Netzbetriebs können im jeweils betrachteten Basisjahr (= Jahr der Kostenprüfung, siehe unten) aufgrund möglicher periodenfremder Effekte bei Kosten und Erlösen somit entweder oberhalb, deckungsgleich mit oder unterhalb dieses Maximalwertes liegen. In letzterem Fall ergäbe sich beispielsweise ein zusätzlicher Jahresgewinn für den Netzbetreiber. Über diesen dynamischen Mechanismus wird den Netzbetreibern ein finanzieller Anreiz gegeben, ihre Kosten durch Effizienzsteigerungen zum Beispiel durch Innovationen dauerhaft zu senken, was graphisch betrachtet von Jahr zu Jahr zu einer kontinuierlich absteigenden Treppenfunktion führt, das heißt die Erlösobergrenze sinkt im idealtypischen (= nahezu gleichbleibende Versorgungsaufgabe) Zeitverlauf jährlich, wodurch den Netzbetreibern wiederum ein momentärer Anreiz zu weiteren Effizienzsteigerungen mit dem Ziel gesetzt wird, ihre Versorgungsaufgabe in höchstmöglicher Qualität zu erfüllen. Es kann jedoch auch zu einer Erhöhung der Obergrenze kommen, beispielsweise wenn Netzbetreiber ihre Versorgungsaufgabe etwa durch Anlagenneuinvestitionen bzw. Netzausbau erheblich ausweiten (müssen).

Ausgangsbasis für die jeweils neu festzulegende Erlösgrenze des Jahres (t+1) sind die tatsächlich erreichten reduzierten Netzgesamtkosten der Netzbetreiber im vorangegangenen Jahr t. Der Betrachtungszeitraum dieser Anreizsystematik beträgt bislang vier Regulierungsperioden, von denen jede fünf Jahre umfasst, wobei die derzeit laufende vierte Periode im Jahr 2024 für Strom und im Jahr 2023 für Erdgas begonnen hat. Seitdem wird jährlich ein sogenannter Kapitalkostenabgleich für Verteilnetzbetreiber (nicht Stromübertragungs- / Gasfernleitungsnetzbetreiber) in der Form vorgenommen, dass die Erlöse bei einer Änderung der Kapitalkosten angepasst werden, beispielweise bei vollständig abgeschriebenen Anlagen (Kapitalkostenabzug) oder neu hinzugekommenen Investitionen (Kapitalkostenaufschlag).

Werden im Rahmen des Effizienzvergleichs (siehe unten) möglicherweise Ineffizienzen aufgedeckt, so müssen die betroffenen Netzbetreiber diese bis zum Ende der jeweils laufenden Regulierungsperiode abbauen. Mengenschwankungen bei der tatsächlichen Strom- und Gasdurchleitung, Prognoseunsicherheiten (beispielsweise infolge Temperatur, Pandemien oder konjunktureller Entwicklung) sowie Abweichungen bei den Kapitalkosten werden auf den jeweiligen, zur Erfassung und zum Abgleich der tatsächlich erzielten und der zulässigen Erlöse dienenden Regulierungskonten des Netzbetreibers verbucht, so dass das regulierte Unternehmen kein Mengenrisiko mehr trägt. Die Netzentgelte im Strom- und Gasbereich müssen vom Netzbetreiber unverzüglich angepasst werden, sobald seine tatsächlichen Erlöse die zugewiesene Obergrenze um einen Toleranzwert von derzeit fünf Prozent übersteigen.

Die Obergrenze für die Erlöse des Netzbetreibers darf die gesamten zulässigen Netzkosten einschließlich der kalkulatorischen Abschreibungen sowie der Eigenkapitalverzinsung für einen wirtschaftlichen und effizienten Netzbetrieb decken, das heißt die Erlösobergrenze repräsentiert den aus dauerhaft nicht beeinflussbaren und vorübergehend nicht beeinflussbaren Kostenanteilen bestehenden monetären Betrag, die ein Netzbetreiber gegenüber den Netzkunden maximal über seine Netzentnutzungsentgelte erzielen darf.

Der Bestimmung der Erlösobergrenze über eine gesetzlich vorgegebene Regulierungsformel und damit der Netzentgelte liegt ein vierstufiges Verfahren der Bundesnetzagentur (BNetzA) zugrunde: Schritt 1 dieses Ablaufs besteht in einer von einem Wirtschaftsprüfer attestierten Kostendatenprüfung des Unternehmens, gefolgt von einem Effizienzvergleich zwischen den einzelnen Netzbetreibern auf Grundlage ihrer jeweiligen Kosten (Stufe 2). Die zusammengeführten Ergebnisse aus den Kostenprüfungen (1) und den individuellen Effizienzwerten (2) führen in Schritt 3 zur Festlegung einer Erlösobergrenze für jeden einzelnen Netzbetreiber. In der letzten Stufe ermitteln die Unternehmen auf Basis ihrer von der Regulierungsbehörde zugeteilten individuellen Erlösobergrenze im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gemäß der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung, StromNEV) und der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung, GasNEV) die Netzentgelte für den Zugang zu ihren Energieversorgungsnetzen, die abschließend in sogenannten Preisblättern veröffentlicht werden.

Die rechtliche Grundlage dieses behördlichen Instruments zur Marktregulierung monopolistischer Märkte bildet die Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung, ARegV). Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden sich auf dieser Internetseite unter anderem im Beitrag „Netzzugangsregulierung“ (Bildquelle: Bayernwerk Netz GmbH).