Sonnenstürme

Die Ursachen für einen möglichen Schwarzfall von elektrischen Stromversorgungsnetzen sind mannigfaltig und können wie im vorletzten Beitrag zum Thema Schmetterlingseffekt angesprochen ihren Grund in völlig anderen Bereichen als in der Energie- bzw. Netzwirtschaft haben. Ein solches Beispiel für einen derartigen Blackout soll in diesem Artikel in Form eines sogenannten Sonnensturms angeführt werden.

Neben Sonnenflecken oder Sonnenfackeln werden unter anderem auch durch solare Magnetfeldenergie gespeiste Vorgänge innerhalb der Chromosphäre der Sonne wie zum Beispiel Sonneneruptionen („Flares“) / koronale Massenauswürfe (engl. coronal mass ejection, CME) unter dem allgemeinen Begriff der Sonnenaktivität zusammengefasst. Solche Ereignisse auf der Sonne erzeugen Winde bzw. je nach ihrer Stärke auch Stürme, die aus elektrisch geladenen Teilchen bestehen und durch die hohe Geschwindigkeit von über 1 Mio. km/h in einer breiten Schockwellenfront nach etwa 24 Stunden auch die Erde erreichen können. Durch das Auftreffen der Ladungsmenge auf die natürliche Magnetosphäre der Erde wird diese in ihrer Feldstärke geschwächt. Daher bezeichnet man Sonnenstürme auch als magnetische und im Falle der Erde als geomagnetische Stürme.

Als Maßstab für die Stärke eines Erdmagnetsturmes kann die von ihm verursachte Änderung des Magnetfeldes der Erde in der physikalischen Einheit Tesla [T] herangezogen werden. Die magnetische Flussdichte des horizontalen Erdmagnetfeldes beträgt im ungestörten Zustand etwa 20 µT, worauf allerdings viele unterschiedliche Faktoren Einfluss nehmen können, so dass kontinuierliche Schwankungen der geomagnetischen Feldstärke in einem Toleranzbereich von etwa ±20nT als normal eingestuft werden.

Der Aufprall der von der Sonne ausgehenden magnetischen Sturmfront hat die physikalische Wirkung eines sogenannten elektromagnetischen (Im-)Pulses (EMP), der auf dieser Internetseite bereits im gleichnamigen Artikel vorgestellt wurde. Die Störung kann je nach Ursache sowie deren Intensität bis zu mehrere Tagen andauern und wird in Abhängigkeit von der gemessenen Schwächung des Erdmagnetfeldes in die drei zeitlichen Abschnitte Anfangs-, Sturm- und Normalisierungsphase sowie je nach erreichtem negativem Tesla-Wert auf der Disturbance Storm Time-Skala (DST-Index) in verschiedene Klassen bis hin zum solaren Supersturm unterteilt.

Durch das Eintreffen der elektrisch geladenen Partikelwolke von der Sonne und die damit einhergehende Änderung des Magnetfeldes der Erde werden gemäß des Induktionsgesetzes (vgl. Artikel „Induktion“) elektrische Felder und bei Vorliegen der entsprechenden Bedingungen anschließend in der Regel auch Stromflüsse ausgelöst, welche daher auch als geomagnetisch induzierte Ströme (engl.: geomagnetally induced current [GIC]) bezeichnet werden. Trotz ihrer im Vergleich zum Nennwert des europäischen Verbundnetzes in Höhe von 50 Hz relativ geringen Frequenzen sowie ihrer vergleichsweise niedrigen elektrischen Feldstärken können diese Induktionsströme aufgrund ihres Verhaltens mit Gleichströmen (engl.: direct current, DC) verglichen werden, welche störende Auswirkungen auf weitreichende, geschlossene und elektrisch gut leitfähige Strukturen auf der Erde haben können.

So können sie je nach Potenzialgefälle und geographischer Entfernung bzw. Reichweite durch Stärken der auftretenden Störströme im bis zu dreistelligen Ampere-Bereich insbesondere in den in der Regel mit Dreiphasenwechselstrom betriebenen Spannungsfreileitungen elektrischer Übertragungs- und Verteilnetze sowie in den angekoppelten Transformatoren (vgl. Artikel „Transformatoren“) zu Problemen in Form von Fehlfunktionen, Schäden oder Ausfällen (Notabschaltung) führen. Die zum Beispiel in den Beiträgen „Erdschluss“ oder „Fehlerschlussarten“ angesprochenenen Netzschutzeinrichtungen sprechen wegen der quasistationären Eigenschaften (DC) der geomagnetisch induzierten Ströme hier nicht an. Dabei können durch die unerwünschte Überlagerung von Betriebs- und Ausgleichsstrom sowohl in Leistungstransformatoren von Umspannwerken (vgl. Artikel „Umspannwerke“) als auch in generatorgekoppelten Maschinentransformatoren von Kraftwerksanlagen Störungen auftreten. Dadurch besteht die Gefahr, dass das Elektrizitätsnetz oder Teile davon in den vom solaren Magnetsturm betroffenen Regionen der Erde für eine gewisse Zeit ausfallen (Blackout), so beispielsweise im Jahr 1989 in Kanada oder 2003 in Schweden.

Weitere Auswirkungen von Sonnenstürmen in Interaktion zwischen ihrer energiereichen Strahlung und dem Erdmagnetfeld sind die Aufheizung der Erdatmosphäre, potenzielle Fehlfunktionen oder Schäden an Sonden und Satelliten einschließlich des Ausfalls von satellitengesteuerten Navigationssystemen, mögliche Störungen des Radar- und Funkverkehrs auf der Erde, insbesondere von Internet-, Rund- und Mobilfunkübertragungen, die Exposition von Lebewesen gegenüber einer erhöhten kosmischen Strahlung (bestehend vor allem aus elektrisch positiv geladenen Teilchen), Korrosionsschäden an metallischen Rohrsystemen und Pipelines (da diese wie Überlandleitungen und somit für Gleichströme wie geschlossene Stromkreise wirken) sowie das Auftreten von Elektrometeoren (Polarlichtern).