Netzoptimierung

Im letzten Artikel wurden technische Maßnahmen im Rahmen des Netzmanagements insbesondere bei Engpässen infolge betrieblicher Störungen vorgestellt. Neben dem Ausbau der bestehenden Stromübertragungsnetze existieren diverse Möglichkeiten zur Sicherstellung der Versorgung und der Systemstabilität, die in diesem Beitrag angesprochen werden sollen. Eine solche netzwirtschaftliche Entwicklung und Optimierung folgt dem sogenannten NOVA-Prinzip, welches die Anforderungen aus dem EnWG umsetzt.

Aufgrund der stetig ansteigenden Last aus Industrie, Gewerbe und Haushalt muss das bestehende Stromnetz der Zukunft vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit und der Energiewende bedarfsgerecht ausgebaut werden, um deutlich größere Strommengen in die verschiedenen Verbrauchszentren auf den Nord-Süd-Trassen in beiden Flussrichtungen transportieren zu können. Um das resultierende Delta zwischen Netzkapazität und -last regelmäßig zu monitoren, wird von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) jedes zweite Jahr ein sogenannter Netzentwicklungsplan Strom (NEP) erstellt, der den jeweils aktuellen Ausbaubedarf des Elektrizitätsnetzes in den nächsten Jahren errechnet und von der Bundesnetzagentur (BNetzA) genehmigt werden muss.

Dieser dient dem Gesetzgeber als Grundlage, um gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen und Vorgehensweisen für eine Netzoptimierung festzulegen. Dabei sieht das grundlegende Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vor, einen möglichst platz- und kostensparenden Ausbau des Übertragungsnetzes vorzunehmen. Zentral ist in diesem Zusammenhang das angesprochene NOVA-Prinzip: Diese Abkürzung steht für „Netz-Optimierung vor Netz-Verstärkung vor Netz-Ausbau“ und besagt, dass zunächst alle Möglichkeiten einer Netzoptimierung und -verstärkung im bestehenden Netz ausgeschöpft sein müssen, bevor netzwirtschaftliche Bauprojekte für dessen tatsächlichen Ausbau freigegeben und realisiert werden dürfen. Dadurch werden nicht nur Kosten, sondern auch die damit einhergehenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt reduziert.

Im Rahmen des Netzmanagements werden beispielsweise die Lastflüsse durch die zuständige Netzbetriebsführung im Idealfall so gesteuert, dass keine verwendeten Betriebsmittel (weder Leitungen noch Anlagen/-teile) überlastet werden. Eine weitere Maßnahme der Netzoptimierung ist die Ausnutzung klimatischer Gegebenheiten, da durch kalte oder kühlere Luft über die Freileitungen mehr Strom transportiert werden kann. Durch den Abkühlungseffekt der Umgebungsluft steigt die thermische Kapazität der Kabel, da diese sich durch den Stromtransport infolge der Leitungswiderstände proportional erwärmen.

Aus der Umgebungstemperatur wiederum resultiert auch eine Möglichkeit der Netzverstärkung, da sich die Leiterseile bei wärmerer Luft ausdehnen und durch ihr Eigengewicht absenken, so dass bei Bedarf eine bautechnische Erhöhung der bestehenden Strommasten durchgeführt wird. Dadurch brauchen keine neuen Leitungen installiert zu werden (Retrofit). Ein Beispiel dafür ist das Leitungsvorhaben „Ultranet“ der ÜNB Amprion und TransnetBW in Form einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) als Freileitung auf Masten bestehender Drehstromtrassen zwischen Osterath (Nordrhein-Westfalen) und Philippsburg (Baden-Württemberg) über eine Länge von 340 km. Ebenso wirkt sich auch die Installation neuer Leiterseile der gleichen oder einer höheren Spannungsebene – zum Beipiel zusätzlich zur 220 kV- auch Leitungen der 380 kV-Höchstspannung – auf bestehenden oder dafür erhöhten Strommasten einschließlich der angeschlossenen Umspannwerke bzw. Schaltanlagen netzverstärkend aus.

Sollten alle Maßnahmen der Netzoptimierung und -verstärkung ausgeschöpft sein, so wird das Stromnetz sukzessive physisch ausgebaut. Ein Beispiel für den Netzausbau ist die neue Nord-Süd-Trasse „SuedLink“ der ÜNB Tennet TSO und TransnetBW über eine Erdkabelleitung, die gemäß NEP 2030 (2017) zwei HGÜ-Verbindungen zwischen Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und Großgartach (Baden-Württemberg) sowie zwischen Wilster (Schleswig-Holstein) und Bergrheinfeld (Bayern) mit 702 bzw. 558 km Länge zum Transport der insbesondere aus On- und Offshore-Windenergie gewonnenen elektrischen Energie in den Süden Deutschlands umfasst.

HGÜ bieten gegenüber Wechselstrom-Trassen insbesondere die Vorteile, dass ein Transport des Gleichstroms über weite Strecken mit nur relativ geringen Verlusten möglich ist, dass der Neu- und Zubau von Wechselstromleitungen reduziert wird und dass der Stromfluss in beiden Richtungen gut steuerbar ist. Weiterführende Informationen zum Thema HGÜ finden sich auf dieser Internetseite unter anderem im Artikel „Die Hochspannungs-Gleichstromübertragung bei Offshore-Windparks“.