Hysterese

Technische Systeme wie sie zum Beispiel in Kraftwerken zur Energieversorgung  vorkommen, können durch bestimmte Zustände oder Zustandsgrößen charakterisiert bzw. definiert werden. Dabei treten teilweise physikalisch bedingte, vom Normzustand abweichende Verhaltensweisen innerhalb der Systemgrenzen auf, die insbesondere bei ihrer Funktionsweise, aber auch im Rahmen der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (MSR) dieser Systeme berücksichtigt werden müssen. Ein solches Phänomen ist beispielsweise die sogenannte Hysterese, die in diesem Artikel anhand eines Beispiels aus der Anlagentechnik beschrieben werden soll.

Ein gegebenes technisches System kann durch zwei oder mehrere voneinander abweichende Größen beschrieben werden. Im Falle eines Heizaggregats in einer Anlage zur Energieerzeugung seien dies die unterschiedlichen Höhen der stufenlos schaltbaren Heiztemperatur, zum Beispiel zum Vorwärmen des Primärbrennstoffs oder der Verbrennungsluft vor der eigentlichen Verfeuerung der Energieträger im Brennkessel des Kraftwerks. Entscheidend für die anvisierte Aufheiztemperatur des Brennstoffs oder der Verbrennungsluft sind in diesem Zusammenhang einerseits die Ausgangsgröße in Form der aktuellen Ist-Temperatur sowie andererseits die Eingangsgröße in Höhe der ausgehend vom vorgenannten Ursprungszustand zu erreichenden Soll-Temperatur.

Aus dieser Situation resultiert eine Plan-Ist-Differenz, wobei der Ist-Zustand des Aggregats im Gegensatz zum Ziel-Zustand jedoch variabel und damit ausschlaggebend für dieses Delta, für den aufzuwendenden Heiz- bzw. Energiebedarf sowie für den Zeitpunkt bis zum Erreichen der geplanten Zieltemperatur ist. Die Ausgangsgröße beeinflusst dabei nicht nur die nachgelagerten verfahrenstechnischen Prozesse im Kraftwerk, sondern auch das thermodynamische Verhalten des betrachteten Untersystems (hier zum Beispiel ein Gasvorwämer [GaVo] oder ein Luftvorwärmer [LuVo]), was die vorgenannten Aspekte wiederum ihrerseits verändert – ob es sich also beispielsweise um einen Kalt-, einen Warm- oder einen Heißstart der Maschine handelt.

Wird der Vorwärmer aus dem abgeschalteten Zustand angefahren (Kaltstart), so resultiert daraus der größtmögliche Verbrauch an Strom bzw. Wärme, da das gesamte System von Minimal- (MIN) auf Maximaltemperatur (MAX) gebracht werden muss. Befindet sich das Aggregat durch eine vorherige Nutzung auf Voll- oder Teillast jedoch bereits auf einer bestimmten Betriebstemperatur (Warm- oder Heißstart), so kann der Zielzustand je nach kontinuierlich bzw. stufenlos einnehmbarer Höhe der Ausgangstemperatur in der Regel mit deutlich weniger Energie und Zeit erreicht werden.

Bildet man die Abhängigkeit der beiden Zustände IST und SOLL in einer zweidimensionalen Punktewolke ab, so erhält man zwischen den beiden Extrempunkten MIN und MAX kein lineares Verhalten zwischen Ein- und Ausschalttemperatur, sondern einen zweifachen kurvenförmigen Verlauf jeweils in Bezug auf das Hochfahren des Systems einerseits (MIN → MAX) sowie im Hinblick auf das Abfahren des Gerätes andererseits (MAX → MIN). Dabei liegt die Kurve für den Abschaltvorgang in der Regel oberhalb der Kurve für den Einschaltvorgang, da wie vorstehend erläutert bereits eine höhere Gesamttemperatur des Systems infolge des Betriebszustandes bzw. der Thermodynamik vorliegt.

Die beiden geschwungenen Kurven, die durch den Minimal- und den Maximalpunkt der Zustandstemperatur miteinander verbunden sind und überwiegend Steigungen von m <> 1 aufweisen, bezeichnet man aufgrund ihres Erscheinungsbildes als sogenannte Hystereseschleife oder auch -pfade. Unter dem Auftreten dieses Effektes eines zeitlich verzögerten Eintretens bezüglich der Änderung der Auswirkung gegenüber der zugrundeliegenden Änderung der zugehörigen Ursache versteht man entsprechend ein sogenanntes Hystereseverhalten, das auch bei den im letzten Artikel behandelten Transformatoren in Form von (Hysterese-)Verlusten infolge der Abgabe thermischer Energie an die Umgebung aufritt.

Dies hat jedoch nichts mit der sogenannten „Totzeit“ eines Systems zu tun, die vielmehr eine Auswirkung der physikalisch bedingten Trägheit in der thermodynamischen Anlagenmechanik darstellt. Mindest- (AUS, in der Regel 0) und Höchsttemperatur (MAX) sind fixe Größen, während beide Kurven durch die unterschiedlichen Zustände der verursachenden variablen Ausgangsgröße (IST) für den Ein- und für den Abschaltvorgang resultieren. Somit eignen sich die binären Betriebszustände EIN und AUS im Gegensatz zu rein linear abhängigem Verhalten (Steigung m = const.) in diesem Fall nicht mehr als adäquate Beschreibungsgrößen des Systems.