Biomasse im energiepolitischen Kontext I

Da sich in den kommenden Jahrzehnten die wirtschaftlich gewinnbaren Öl-, Gas- und Kohlevorräte aufgrund des global exponentiell ansteigenden Energiebedarfs maßgeblich reduzieren werden, wird die derzeit noch relativ teure Biomasse vermutlich bereits in naher Zukunft eine weltweit zentrale Bedeutung bei der Herstellung organischer Kraftstoffe und Chemieprodukte erhalten. Nach der schon heute absehbaren Erschöpfung der genannten fossilen Rohstoffe wird Biomasse die einzige regenerative Kohlenstoffquelle unter sämtlichen Energieformen überhaupt darstellen.

Die technische und infrastrukturelle Entwicklung alternativer Konzepte zur Energiegewinnung aus regenerativen Energieträgern sollte daher durch adäquate Verfahrensbewertungen, die diesbezügliche wirtschaftliche, technische und umweltrelevante Aspekte gleichermaßen berücksichtigen, systematisch begleitet und gegebenenfalls entsprechend gesteuert werden. Da in bezug auf die Biomassenutzung der Strom- und Wärmebedarf zukünftig hinreichend durch andere erneuerbare Energiequellen bedient werden kann, bietet sich im besonderen eine gezielte energetische Biomasseverwertung zur Herstellung von Synthesekraftstoffen einerseits sowie von Chemikalien andererseits an.

Neben den genannten technoökonomischen Gesichtspunkten sind in diesem Kontext jedoch ebenso nationale wie auch internationale politische Ziele von essentieller Bedeutung, die im Zusammenhang mit der zunehmenden klimarelevanten Umweltproblematik kurz- bis mittelfristig eine signifikante Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen zur Minderung der globalen Erderwärmung anstreben und damit den aktiven Ausbau des Anteils erneuerbarer Energiequellen bewusst forcieren.

So sehen die energiepolitischen Planungen der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2020 beispielsweise u. a. einen zehnprozentigen Beitrag zur Deckung des europaweiten Primärenergiebedarfs durch biogene Kraftstoffe vor, was einem Anteil von ungefähr 30 Mio. t Biokraftstoff pro Jahr entspräche. Diese Menge könnte z. B. durch herkömmlichen Rapsanbau auf einer Ackerlandfläche von etwa 200.000 km² bei einer Produktivität von rund 150 t Rapsölmethylester (RME) pro km² erzielt werden. Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse im Hinblick auf die Produktion von Bioethanol aus Kartoffeln, Zuckerrüben, Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen.

Bezüglich der bestehenden und denkbaren Nutzungsmöglichkeiten konventioneller und regenerativer Energieformen sind jedoch verschiedene Gesichtspunkte v. a. einer zukünftigen globalen und nachhaltigen Energieversorgung von weit wesentlicherer Bedeutung. Es sind dies im besonderen

  • die gegenwärtige weltweite Energieverteilung einschließlich der Prognosen für den künftigen Energiebedarf,
  • die Endlichkeit fossiler Energieträger und des Urans,
  • die klimatischen Umweltveränderungen und -folgen durch die Verbrennung fossiler Energieträger sowie
  • der gesellschaftliche Wohlstand und seine Anhängigkeit von der Energie.