Leistungsfaktor

In Anlehnung an den letzten Artikel zum Thema Blindleistungskompensation wird in der elektrischen Energietechnik in mit Wechselspannung betriebenen Elektrizitätsnetzen die Kenngröße des sogenannten Leistungsfaktors verwendet, der in diesem Beitrag beschrieben werden soll.

Im Artikel Blindleistung wurde diese neben der Wirkleistung als Bestandteil der Scheinleistung S näher behandelt. Letztere setzt sich rechnerisch zusammen aus den Effektiv- bzw. Augenblickswerten von anliegender elektrischer Spannung U und der daraus resultierenden elektrischen Stromstärke I bzw. aus der in der Regel in mechanische oder thermische Energie umgesetzten Wirkleistung P und der verbraucherseitig nicht nutzbaren Blindleistung Q:

S = U(t) x I(t) = √(P² + Q²)

Die Scheinleistung wird in der Elektrotechnik in der physikalischen Einheit Voltampere [VA], die Wirkleistung in Watt [W] und die Blindleistung in Voltampere reaktiv [Var] (nach ursprünglich frz.: Volt-Ampère-réactif), früher auch in der Einheit Blindwatt [bW], angegeben. In Gleichspannungsnetzen stimmen Schein- und Wirkleistung wegen Q = 0 überein, während – wie im letzten Beitrag erwähnt – in mit Wechselspannung betriebenen Elektrizitätsnetzen wegen der dort auftretenden Blindleistung S > P ist. Der sogenannte Leistungsfaktor, der je nach Systemzustand in Form von sinus- oder nicht-sinusförmigen Verläufen von Spannung und Strom auch als Wirkleistungs-, Wirk- oder Verschiebungsfaktor λ (Formelzeichen: Lambda, Minuskel) bezeichnet wird, berechnet sich nun aus dem mathematischen Verhältnis von Wirk- zu Scheinleistung:

λ = P / S

Da die Wirkleistung in der betrieblichen Praxis auch einen negativen Wert annehmen kann, wird mit dem Absolutbetrag von P gerechnet, so dass der Leistungsfaktor wegen λ = |P| / S entsprechend zwischen 0 und 1 liegt. Im sogenannten (Leistungs-)Zeigerdiagramm / -dreieck wird diese elektrotechnische Kennziffer bei rein sinusförmigen Wechselgrößen, die neben ihrer Grundschwingung somit keine Oberschwingungen enthalten, aus dem geometrischen Verhältnis von Ankathete (Wirkleistung) zu Hypotenuse (Scheinleistung) gebildet und entspricht somit dem Kosinus des sogenannten Phasenverschiebungswinkels φ (Formelzeichen: Phi, Minuskel):

cos φ = P / S

Je höher der Leistungsfaktor ausfällt, desto geringer sind folglich die entstehenden Übertragungsverluste im Rahmen der Stromversorgung bzw. des Elektrizitätsverbrauchs. Daher wird ein möglichst hoher Wert dieser Kenngröße angestrebt, der im (rein rechnerischen) Idealfall wegen P = S gleich 1 wäre, mindestens jedoch 0,9 betragen muss und in der betrieblichen Praxis in der Regel um den Wert 0,95 schwankt.

Die Optimierung des Leistungsfaktors wird jedoch nicht durch die Maximierung der (gegebenen) Wirkleistung P, sondern durch Maßnahmen der im vorangegangenen Artikel erläuterten Kompensation oder Reduktion der Blindleistung Q = √(S² – P²) realisiert. Dabei ist darauf zu achten, ob induktive (Spulen) oder kapazitive (Kondensatoren) Blindleistung vorliegt (dazu zwei Merksätze aus der E-Technik-Vorlesung: „Der Strom eilt vor im Kondensator. / In Induktivitäten die Ströme sich verspäten.“), und dass diese für die Spannungsstabilisierung innerhalb des Stromnetzes zwingend notwendig ist.

So muss die Frequenz bzw. die Spannung in einem Elektrizitätsversorgungssystem innerhalb enger Grenzen gehalten werden, damit Betriebsmittel, Stromnetz und Elektrogeräte auf Erzeuger- und Lastseite nicht beschädigt werden und zuverlässig funktionieren. Daher muss die in Wechselspannungsnetzen auftretende Blindleistung nicht nur ausgeglichen / reduziert, sondern von den Kraftwerksanlagen bzw. den Einrichtungen der Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber zur Blindleistungskompensation bei Bedarf auch ins Versorgungssystem eingespeist werden. Im Falle eines darüber hinausgehenden Mehrbedarfs soll Blindleistung zudem über eine marktliche Beschaffung gemäß § 12 h („Marktgestützte Beschaffung nicht frequenzgebundener Systemdienstleistungen“) des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) abgedeckt werden können.