Blackout Iberien

von Herbert Saurugg, M.Sc.

Am Montag, dem 28. April 2025, ereignete sich um 10:33 Uhr UTC (12:33 Uhr MESZ) im spanischen Stromnetz eine Kettenreaktion, die binnen weniger Sekunden zum stundenlangen Zusammenbruch der gesamten Stromversorgung auf der Iberischen Halbinsel führte. Diese folgenschwere Großstörung führte zum bislang insgesamt vierten europäischen Blackout und zum zweiten Schwarzfall in Europa innerhalb eines Jahres. Vor allem die hohe solare Energieeinspeisung und die gleichzeitig geringe Momentanreserve stehen im Verdacht, das elektrische Versorgungssystem fragil gemacht zu haben.

Im Vorfeld des Vorfalls wurden bereits um 12:05 Uhr (Uhrzeiten in MESZ) sowie um 12:20 Uhr signifikante Oszillationen (Schwingungen und damit Abweichungen von der Netzfrequenz) beobachtet, welche auch auf der anderen Seite des Verbundsystems im Baltikum auffielen. Ab etwa 12:19 Uhr kam es abwechselnd zu Netzfrequenzschwingungen und Lastsprüngen. Bis 12:30 Uhr (Fahrplanwechsel, Viertelstundenkontrakte) gab es im spanischen Übertragungsnetz eine hohe Erzeugung, die überwiegend aus Solar- und Windenergie erbracht wurde, bei einem gleichzeitig geringen Verbrauch, was zu Stromexporten nach Frankreich und Portugal führte. Um 12:33 Uhr kam es im spanischen Netz zu einem Ausfall einer Stromerzeugungseinheit, wodurch die Frequenz sank, das Netzwerk sich jedoch selbst wieder stabilisieren konnte. Nur eineinhalb Sekunden später kam es zu einem weiteren Ausfall eines Kraftwerks.

Die Netzfrequenz fiel nach einer initialen Unterfrequenz von 49,8450 Hz bei einer negativen Netzlastdifferenz von –2.223 MW unter 49 Hz, es kam zu Stromnotabschaltungen (Lastabwurf) infolge Unterfrequenz in praktisch allen Umspannwerken und Netzverteilern auf der Iberischen Halbinsel. Dieses zweite Störereignis destabilisierte das Netzwerk und führte nach insgesamt nur dreieinhalb Sekunden zur automatischen Abkopplung von Frankreich und damit Kontinentaleuropa (Netztrennung). Die Frequenz im instabilen iberischen Netz stieg in der Folge rasch auf über 51 Hz an. Binnen fünf Sekunden fielen daher schlagartig rund 15 GW an Erzeugungsleistung aus, was knapp 60% der zu diesem Zeitpunkt am Netz befindlichen Leistung entsprach. Es kam zu einem kaskadierenden Zusammenbruch, bei dem ein Netzwerkelement nach dem anderen ausfiel, so dass Spanien, Portugal und sogar Südfrankreich infolge einer nicht mehr aufzuhaltenden Abschaltkaskade zeitweise ohne Stromversorgung waren.

Technisch gesehen wurde ein Kipppunkt erreicht, an dem das System eine Notabschaltung einleitete, um sich selbst zu schützen (Netzausfall). Für das restliche Europa war diese Abtrennung aus netztechnischer Sicht notwendig, denn nur so konnte die Stabilität des übrigen europäischen Verbundnetzes aufrechterhalten werden. Vorgehaltene Regelenergie in Kontinentaleuropa konnte den plötzlichen Leistungsausfall auf der Iberischen Halbinsel abfangen und ausgleichen. Dank dieser Stabilisierung konnte das iberische Stromnetz innerhalb einer Nacht fast vollständig wiederaufgebaut werden.

Der Netzwiederaufbau am Abend des großflächigen Stromausfalls verlief relativ zügig, zumal viele Wasser- und Gaskraftwerke zur Verfügung standen. Um 17 Uhr gab der spanische Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica de España (REE) bekannt, dass die Regionen Katalonien, Aragonien, Baskenland, Galizien, La Rioja, Asturien, Navarra, Kastilien-León, Extremadura und Andalusien wieder mit Strom versorgt werden. Eine Stunde später wurde mitgeteilt, dass auch in den Regionen Madrid, Valencia, Murcia und Kastilien-La Mancha die Stromversorgung wiederhergestellt werden konnte. Um 19 Uhr waren rund 35% der Kunden mit Elektrizität versorgt, um 22 Uhr 43% und um 06 Uhr morgens des Folgetages wieder 99%.

Der Blackout wurde vermutlich durch die Überlastung von jenen Transportleitungen ausgelöst, welche die Iberische Halbinsel mit dem europäischen Verbundnetz verbinden. Die Netzüberlastung trat wahrscheinlich auf, da nach dem Wegfall von Erzeugungsleistung in Spanien der dadurch steigende Leistungsbezug aus dem restlichen europäischen Verbundnetz (Umkehr des Energieflusses) die Kapazität der Transportleitungen überschritt, nicht mehr ausgeglichen werden konnte und dadurch eine Netzschutzabschaltung zur Folge hatte. Dennoch gab es im Vorfeld der beiden oben genannten partiellen Stromausfälle mit ihren entsprechenden Auswirkungen auf die Netzfrequenz innerhalb von nur 1,5 Sekunden durchaus Anzeichen einer möglichen früheren Instabilität im Netzwerk.

Die erwähnten Schwankungen der Frequenzdaten gegen 12:05 und 12:20 Uhr an Messpunkten in Malaga könnten auch Indizien für bereits bestehende Probleme in Netzbetriebsmitteln gewesen sein. Solange kein isolierter technischer Defekt oder Unfall größeren Ausmaßes festgestellt wird, deuten die Anzeichen auf ein Systemversagen hin. Auch könnte der Einfluss von Solar- und Windenergie zum Zeitpunkt des Stromausfalls und somit die fehlende Trägheit im System möglicherweise zu der Kaskade von Ausfällen nach der anfänglichen Instabilität beigetragen haben. Zum Zeitpunkt des Blackouts wurde das spanische Netz hauptsächlich mit Solar- (59%) und Windenergie (11%) versorgt. Nicht zuletzt aufgrund der geographischen Lage (Isolation) kann auch die schlechte Anbindung an Europa (Grenzkapazitäten) neben der zu geringen Netztransportkapazität als Faktor angesehen werden (Bildquelle: Nachrichten.es).


Herbert Saurugg, Major a. D., ist Internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte sowie Präsident der Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV), auf deren Internetseite https://gfkv.org/ sich weiterführende Informationen zum Thema finden.