Redispatch 2.0

In mehreren Artikeln auf dieser Internetseite wurde der Begriff des Redispatch erläutert. Durch das zuletzt am 08. Oktober 2022 geänderte Netzausbaubeschleunigungsgesetz für das Übertragungsnetz (NABEG) wurde das Einspeise- bzw. Engpassmanagement des deutschen Stromnetzes neu organisiert und durch diese Novellierung unter dem Begriff Redispatch 2.0 zusammengefasst.

Unter dem Terminus des Redispatch ist gemäß der einschlägigen Beiträge auf dieser Website demnach die Anweisung zur kurzfristigen und ungeplanten Verschiebung der von den Kraftwerksbetreibern gemeldeten Stromproduktion durch die jeweils zuständigen Netzbetreiber zu verstehen („Dispatch“ = Kraftwerkseinsatzplanung). Aus der Zusammenführung aller von den einzelnen Einsatzverantwortlichen an den Anschluss-Übertragungsnetzbetreiber ihrer Regelzone übermittelten Day-Ahead-Fahrpläne geht die gesamte voraussichtliche Ein- und Ausspeisung auf der bundesweiten Übertragungsebene hervor. Daraus erstellen die ÜNBs entsprechende Lastflussberechnungen und -analysen für den Folgetag, aus denen somit schon im Vorfeld eventuelle temporäre Netzengpässe ersichtlich werden.

Zur Sicherung der Netzstabilität und damit der Versorgungssicherheit können Einsatzverantwortliche von ihrem Netzbetreiber bereits am Vortag zur Änderung ihrer bis 14:30 Uhr angemeldeten Stromfahrpläne angewiesen werden, was zu einer außerplanmäßigen Erhöhung, Reduktion oder Verschiebung der wirtschaftlich optimalen Stromproduktion, aber auch zu einem kompletten An- oder Abfahren von Erzeugungseinheiten führen kann. Typischerweise wird ein solcher technisch und wirtschaftlich relevanter Netzeingriff in die Anlagensteuerung zum Schutz vor Netzüberlastung über zwei im betroffenen Lastfluss des Netzes liegende Kraftwerke realisiert, von denen in der Regel das eine auf Weisung des Netzbetreibers in seiner Stromerzeugung reduziert und das andere für eine Mehrproduktion angefordert wird, um so einen zeitweisen Netzengpass der Stromleitung von vorneherein zu vermeiden.

Im Vergleich zu den bisherigen Regelungen im Zusammenhang mit dem bislang praktizierten Prozess, welcher daher auch als Redispatch 1.0 oder Bestands-Redispatch bezeichnet wird, wurden die einschlägigen Maßnahmen und Vorschriften dieses präventiven Netzmanagements sowohl durch Netz- als auch durch Kraftwerksbetreiber vom Gesetzgeber nun grundlegend erweitert. Der Redispatch 2.0 vereinheitlicht die Vorgaben des Einspeisemanagements auf der Grundlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG). Es wurden neue Marktrollen wie zum Beispiel des Einsatzverantwortlichen (EIV) oder des Betreibers einer technischen Ressource (BTR) sowie zwei verschiedene Bilanzierungsmodelle (Prognose- und Planwertmodell) eingeführt.

Dadurch müssen sich nun auch EEG- und KWKG-Einheiten am neuen Redispatch für Erzeugungs- und Speicheranlagen beteiligen, die eine Anlagenleistung von 100 kW überschreiten – bislang lag diese Grenze bei 10 MW für ausschließlich konventionell befeuerte Kraftwerke. Neben den betroffenen Anlagen gibt es im neu organisierten Redispatchregime auch eine Erweiterung der involvierten Akteure: Hier wurde der bisherige Aktionsradius aus Übertragungsnetzbetreibern und Einsatzverantwortlichen (Anlagenbetreibern / Betriebsführern / Direktvermarktern / Energiehändlern) um die Verteilnetzbetreiber aller der Höchstspannungsebene (220 und 380 kV) nachgelagerten Netzebenen (≤ 110 kV) erweitert.

Da es sich bei einem Redispatch-Fall um einen systemtechnisch notwendigen Eingriff des Netzbetreibers in die marktwirtschaftlich optimale Fahrweise des Kraftwerks eines Einsatzverantwortlichen zur Gewährleistung der Stromnetzstabilität handelt, werden die abgeregelten Anlagenbetreiber in der Regel vom anweisenden ÜNB oder VNB für die entgangene Ausfallarbeit finanziell oder bilanziell entsprechend entschädigt. Primäres Ziel ist es, die in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Kosten für Maßnahmen des Redispatchings und des Einspeisemanagements zu senken sowie eine diskriminierungsfreie Beseitigung von Engpässen aller Stromübertragungs- und Verteilnetze in Deutschland zu erreichen. Weitere Informationen zum Thema finden sich auf dieser Internetseite unter anderem in den Artikeln „Redispatching durch Übertragungsnetzbetreiber“, „Netzmanagement“ oder „Redispatchvermögen für KWK-Strom“.