Primärregelung durch Kondensatstau

Die Funktion der dauerhaften Frequenzhaltung im Verbundnetz der UCTE (engl.: Union for the Coordination of Transmission of Electricity) bzw. der Nachfolgeorganisation ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) ist neben den Regelstufen der Sekundär- und Tertiärregelung (Minutenreserve) im wesentlichen der Primärregelung vorbehalten. Für eine stabile Elektrizitätsversorgung liegt die Sollfrequenz im UCTE-Gebiet bei 50 Hz, die maximal zulässige Frequenzabweichung bei ±200 mHz.

Weicht nun die Ist- von der Soll-Frequenz ab, so erfolgt innerhalb weniger Sekunden der Abruf von Primärregelleistung (PRL) durch den gesamten UCTE-Verbund, das heißt nach dem Solidaritätsprinzip über alle angeschlossenen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), so dass die Augenblicksfrequenz im Bereich zwischen 49,8 Hz und 50,2 Hz gehalten wird. Nach den Netz- und Systemregeln der deutschen ÜNB müssen grundsätzlich mindestens ±2% der Nennleistung bzw. mindestens ±2 MW einer Energieerzeugungsanlage für die (symmetrische) Primärregelung zur Verfügung stehen und innerhalb von 30 Sekunden über den Zeitraum von 15 Minuten linear und vollständig aktiviert werden können. Der Abruf geschieht automatisch und dezentral über proportionale Drehzahlregler in den technischen Anlagen.

Werden Kraftwerksblöcke für die Netzstabilisierung durch PRL angefordert, so kann die Erbringung durch mehrere Regelstrategien wie beispielsweise durch Lastreduzierung infolge Androsselung der Frischdampfventile, durch Leistungssteigerung per Kondensatstop oder via Durchflussregelung erfolgen. So kann zum Beispiel die hier skizzierte Kondensatstaumethodik eingesetzt werden, um PRL als leistungswirksame additive Sekunden- bzw. Spontanreserve zum Zwecke der Frequenzstützung zu erbringen.

Bei diesem Regelleistungsprinzip wird die Kondensatführung per se, und nicht mehr der Kessel als Dampfspeicher durch Androsseln der Einströmventile genutzt. So wird durch ein relativ kurzzeitiges Anstauen des Kondensatstroms, also eine temporäre Reduktion der Kondensatförderung, innerhalb des oben genannten Zeitraums eine elektrische Zusatzleistung in Höhe von etwa 2 bis 3% erzeugt, was über die Umlenkung des Entnahmedampfes, der nun über die Turbine entspannt wird, erreicht wird. Aus dem Verzicht auf die im konventionellen Kraftwerksbetrieb übliche Androsselung der Turbineneinströmventile resultiert eine kurzfristige Verbesserung des Wirkungsgrades und somit die angesprochene On-Top-Leistung.

Die Voraussetzungen an die Kraftwerks- bzw. Leittechnik der Erzeugungseinheit für die Realisierung der hier vorgestellten Kondensatstauregelung sind im wesentlichen ein schnelles Kondensatregelventil und -staumodul sowie ein ausreichendes Regelvolumen des Kondensatbehälters. Zu beachten ist weiterhin, dass im Zusammenhang mit dampfbetriebenen Kraftwerken die diesbezügliche Regelungsfähigkeit eingeschränkt ist, da die Trägheit bei der Dampferzeugung nur einen begrenzten Lastgradienten und damit eine limitierte Laständerungsgeschwindigkeit zulässt.