Der Reaktorunfall von Three Mile Island

Das Kernkraftwerk „Three Mile Island“[*] in Pennsylvania (USA) bei Harrisburg verfügt über zwei Druckwasserreaktoren mit einer installierten Bruttoleistung von 837 MW (Block 1, IBN: 1974) bzw. 959 MW (Block 2, IBN: 1978). Betrieben wird die Three Mile Island Nuclear Generating Station von der AmerGen Energy Company. Weltweit erlangte das Kraftwerk unrühmliche Bekanntheit, als es am 28.03.1979 im Block 2 zu einer zumindest partiellen Kernschmelze kam, der daraufhin abgeschaltet und stillgelegt wurde – ein Schlag für die amerikanische Öffentlichkeit wie auch für die Atomindustrie, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat. Wie genau konnte es nun zu diesem Unglück kommen, das auf der International Nuclear Event Scale (INES) als „ernster Unfall“ (Stufe 5) eingeordnet wurde?

In einem der Wasserfilter der Anlage kam es am Morgen des 28. März zu einer Verstopfung, was zunächst einmal nicht unüblich ist. Infolgedessen gelangte Flüssigkeit in das Lüftungssystem, wodurch zwei Ventile verschlossen wurden, so dass die Kaltwasserzufuhr für den Dampfgenerator nicht mehr funktionierte. Auch dies stellt in der Regel kein großes Problem dar, da alle Kernkraftwerke für derartige Fälle mit einem entsprechenden Notkühlaggregat ausgestattet sind. Unglücklicherweise waren jedoch ausgerechnet an diesem Tag – aus welchem Grund auch immer – die Ventile des Notaggregats nicht geöffnet, was allerdings auch sofort durch die zugehörige Kontrollleuchte in der Schaltwarte angezeigt wurde. Wie es der Zufall wollte, wurde aber gerade diese Lampe an jenem Tag durch einen Zettel verdeckt, so dass ihr Aufleuchten unbemerkt blieb. Allerdings verfügte die Anlage auch für Fälle wie diesen über ein weiteres Schutzsystem, das ähnlich einem Sicherheitsventil funktioniert. Es passt in diese fatale Aneinanderreihung von kleineren Schwierigkeiten und – für sich betrachtet – scheinbar belanglosen Defekten, dass auch dieses Ventil damals nicht ansprang. Statt sich daraufhin zu schließen, blieb es geöffnet, was den Technikern im Kontrollraum eigentlich durch eine entsprechende Anzeige signalisiert werden sollte. Der bekannte Tropfen, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte, war letztendlich der Umstand, dass diese aus unerfindlichen Gründen gerade ausgefallen war, denn als die Techniker erkannten, was sich tatsächlich ereignet hatte, stand der Reaktor bereits kurz vor der Kernschmelze. Rückwirkend betrachtet waren es somit lediglich einige scheinbar nichtige Vorkommnisse, die in ihrer Interdependenz und Reihenfolge allerdings eine technische Katastrophe von derart großem Ausmaß nach sich zogen.

Wie schon im Artikel „Kernkraft – Ja oder Nein?“ wird auch an dieser Stelle dem Leser die Entscheidung überlassen, den Vorfall pro oder contra Atomkraft zu bewerten. Handelte es sich beim Reaktorunglück von Three Mile Island um die höchst unglückliche, nicht vorhersehbare und somit zufall- bzw. schicksalhafte Verkettung von mehreren, voneinander völlig unabhängigen Kleinereignissen, von denen jedes einzelne im ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage in der Tat kein großes Problem darstellt? Oder ist dieser Unfall ein weiteres Indiz für die Anfälligkeit von Kernkraftwerken respektive für die Nichtbeherrschbarkeit gewisser Techniken bzw. Technologien?

Ausführliche Informationen zum Störfall bietet das Buch „Normale Katastrophen“ von Charles Perrow im Campus-Verlag sowie die Internetseite ThreeMileIsland.org.


[*] Trivia: Manch einem wird der Name des Kraftwerks evtl. auch aus der Comicverfilmung des X-Men-Prequels „Wolverine“ bekannt sein, dessen finale Szenen auf dem Kraftwerksgelände spielen.